Bezeichnung organischer Verbindungen (Nomenklatur)

Eine eindeutige Benennung organischer Verbindungen ist angesichts der überaus großen Zahl unterschiedlicher, zum Teil aber sehr ähnlicher Verbindungen besonders notwendig.

Trivialnamen. Solange nur wenige Verbindungen bekannt waren, gab man ihnen Namen, die auf ihre Herkunft, auffällige Eigenschaften, besondere Reaktionsweise oder andere hervortretende Merkmale bezogen waren. Diese überlieferten, älteren Bezeichnungen, die sich durch ihre häufige Anwendung fest eingebürgert haben, nennt man heute Trivialnamen; sie enthalten gewöhnlich keinen Hinweis auf die Struktur der Verbindung.

So können die Bezeichnungen der ersten vier Verbindungen der Alkan-Reihe als Trivialnamen angesprochen werden: Methan, Ethan, Propan, Butan. Eine gewisse Gesetzmäßigkeit ist aber in diesen Bezeichnungen bereits enthalten; so enden alle Namen auf -an, der charakteristischen Endsilbe der Alkane.

Vom 5. Glied der Alkane, dem Pentan, an wird eine bestimmte Systematik angewandt: Als Vorsilbe werden die griechischen oder lateinischen Zahlwörter für die Zahl der in der Verbindung enthaltenen C-Atome gesetzt und dann die Endung -an angefügt. So entstehen dann die Namen: Pentan, Hexan, Heptan, Octan usw.

Mit wachsender Zahl der bekannten organischen Verbindungen, besonders nach der Auffindung der Isomere und ihrer Erklärung durch die unterschiedliche Struktur der Moleküle, ergab sich immer mehr die Notwendigkeit einer eindeutigen, systematischen und übersichtlichen Bezeichnungsweise, die sich bei Beachtung bestimmter Regeln auf alle organischen Verbindungen übertragen ließ. Dieses neue System bezeichnet man als die Genfer Nomenklatur organischer Verbindungen. Die überlieferten älteren Bezeichnungen können weiterhin gebraucht werden; so ist zu erklären, daß einige Verbindungen mehrere Namen tragen.

Genfer Nomenklatur. Dieses System eindeutiger Benennung organischer Verbindungen wurde erstmals 1892 auf einer internationalen Konferenz in Genf aufgestellt, in der Folgezeit verbessert und dann international anerkannt und eingeführt. Die Namen der Verbindungen werden von der Struktur der Moleküle, dem eindeutigsten und sichersten Unterschiedsmerkmal, abgeleitet, so dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Ferner wird es dadurch möglich, umgekehrt aus dem Namen der Verbindung die Strukturformel des Moleküls aufzustellen.

Das Genfer Nomenklatursystem enthält eine Reihe von Regeln, die allgemeine Anwendbarkeit besitzen und sich deswegen auf alle Klassen von Verbindungen übertragen lassen.

Für die Benennung der Alkane gelten folgende Regeln:

1. Die Endung der Namen für Alkane ist : -an

2. Für normale Alkane gelten die eingeführten, schon genannten Namen. Die ersten vier Glieder der homologen Reihe behalten ihre Trivialnamen, vom 5. Glied an werden die griechischen bzw. lateinischen Zahlwörter als Anfangssilben gesetzt. Sind Isomere vorhanden, kennzeichnet man die normale Verbindung durch den Buchstaben n- (normal), z.B. n-Octan.

3. Bei verzweigten Alkanen sind folgende Regeln zu beachten:

a) Das zu benennende Molekül wird in Hauptkette und Seitenkette zerlegt; die Hauptkette ist dabei die längste im Molekül vorhandene Kette von C-Atomen. Die C-Atome der Hauptkette werden dann von einem Ende ausgehend durchlaufend numeriert.

Beispiel:

1 2 3 4 5 6 7

 

Die Lage der Seitenkette ist damit an den C-Atomen 2 und 4 der Hauptkette festgelegt. Die Numerierung der Hauptkette ist so zu legen, daß die C-Atome mit Verzweigung die kleinstmöglichen Ziffern erhalten.

Beispiel:

5

4

3

2

1

richtig

 

1

2

3

4

5

falsch

Die Hauptkette verleiht der Verbindung ihren Grundnamen; die obengenannte Verbindung mit sieben C-Atomen ist daher ein Heptan mit Seitenketten, die gesondert bezeichnet werden müssen.

b) Die Namen der Seitenketten werden von den Alkanen abgeleitet, in dem die Endsilbe -an durch -yl ersetzt wird, weil es sich dabei um Gruppen handelt, die ein H-Atom weniger besitzen als die zugehörigen Alkane. Die allgemeine Bezeichnung ist Alkyl-Gruppen.

CH3-

Methyl-

C4H9-

Butyl-

C2H5-

Ethyl-

C5H11-

Pentyl-

C3H7-

Propyl-

C6H13-

Hexyl-

Die Alkylgruppen sind unter normalen Bedingungen für sich allein nicht beständig. Man findet daher für sie auch häufig die Bezeichnung Radikale, z. B. wäre C2H5- das Ethyl-Radikal. Diese Benennung sollte heute nicht mehr gebraucht werden, da dem Begriff Radikal eine andere, fest umrissene Bedeutung zukommt.

c) Die Stellung einer Seitenkette (Alkylgruppe) wird durch die Ziffer des C-Atoms gekennzeichnet, an das die Gruppe gebunden ist. Die Ziffer wird durch einen Bindestrich vom Namen getrennt. Numerierung und Name der Seitenkette werden in dieser Reihenfolge als Vorsilben dem Grundnamen des Moleküls vorangestellt.

Beispiel:

 

2-Methyl-butan

2-Methyl-4-Ethyl-hex-an

Sind an einem C-Atom zwei gleiche Gruppen gebunden, setzt man die Ziffern doppelt und verwendet außerdem die Vorsilbe: -di. Verschiedene Gruppen am gleichen C-Atom werden nacheinander benannt.

Beispiel:

2,2-Di-methyl-butan

2,2-Di-methyl-butan

 

3-Methyl-3-ethyl-hept-an

3-Methyl-3-ethyl-hept-an

Die Namen gestatten umgekehrt, aus ihren Angaben die Strukturformel niederzuschreiben.

Beispiel: 2,2-Dimethyl-5-ethyl-octan

Es handelt sich bei der Verbindung am ein Alkan mit 8 C-Atomen in der Hauptkette. Am C-Atom 2 sind zwei Methylgruppen und am C-Atom 5 eine Ethylgruppe gebunden. Daraus folgt die Strukturformel:

2,2-Dimethyl-5-ethyl-octan

2,2-Dimethyl-5-ethyl-octan