Gegenstromdestillation

Zeigen die zu trennenden Substanzen in ihren Siedetemperaturen nur kleine Unterschiede, lassen sie sich durch einmaliges Verdampfen und Kondensieren (Gleichstromdestillation) nicht genügend trennen.

Der Verdampfungsvorgang muss deshalb mehrmals wiederholt werden. Unter Anwendung von Destillationskolonnen wird dies bei der Gegenstromdestillation in einem Arbeitsgang realisiert.

Als Faustregel zur Anwendung der Gleich- oder Gegenstromdestillation gilt:

Ist die Siedepunktsdifferenz der zu trennenden Substanzen

- grösser als 100°C » Gleichstromdestillation

- kleiner als 100°C » Gegenstromdestillation

- kleiner als  50°C » Gegenstromdestillation mit Rücklaufteiler

1.0 Prinzip

In der Destillationskolonne kondensiert ein Teil des aufsteigenden Dampfes und fliest als Rücklauf in den Destillierkolben zurück.

Bei diesem Vorgang bewegen sich somit zwei Phasen: Der aufsteigende Dampf und das entgegenfliessende Kondensat (Rücklauf).

Schema:

Trennwirkung:

Die Trennwirkung der Gegenstromdestillation beruht auf der Tatsache, dass aus einem siedenden binären Flüssigkeitsgemisch - bestehend aus niedersiedender und höhersiedender Komponente - beide Stoffe in einem Verhältnis verdampfen, das weitgehend durch die unterschiedlichen Dampfdrücke bestimmt wird.

Der entweichende Dampf ist dadurch mit dem niedersiedenden Anteil angereichert. Dieser Vorgang entspricht dem Verdampfen bei der Gleichstromdestillation und der Trennung über eine Trennstufe.

Schema:

Das Dampfgemisch gelangt in die Destillationskolonne, die eine mehr oder weniger grosse Anzahl Trennstufen aufweist.

Auf einer solchen Trennstufe findet folgender Stoff- und Wärmeaustausch statt:

Aufsteigende Dämpfe werden durch den entgegenfliessenden Rücklauf etwas abgekühlt, wobei mehrheitlich höhersiedende Anteile kondensieren und so den Rücklauf vergrössern.

Die frei gewordene Kondensationswärme und die aufsteigenden Dämpfe erwärmen den Rücklauf, sodass mitkondensierte niedersiedende Anteile wieder verdampfen.

Dieser Vorgang wiederholt sich auf jeder Trennstufe, wobei der Dampf immer mehr mit der niedersiedenden Komponente angereichert wird.

In der Destillationskolonne stellt sich daher auf jeder Trennstufe ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen Dampf und Flüssigkeit ein.

Modell einer Kolonne:

Die einzelnen Trennstufen können durch die Konstruktion der Kolonne ersichtlich sein.

Selbst in einem gewöhnlichen Rohr stellen sich - bei genügender Länge - solche Trennstufen ein. Sie sind nicht mehr erkennbar und werden deshalb auch theoretische Böden genannt. Die Anzahl an theoretischen Böden einer solchen Kolonne kann durch Destillieren eines Testgemisches ermittelt werden.

Der Austausch zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase wird umso intensiver, bzw. die Wirksamkeit der Trennung umso besser, je grösser die Berührungsfläche zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase ist (= Destillationskolonnen).

Das folgende Diagramm zeigt die Beziehung zwischen Trennwirkung, Siedepunktsdifferenz und Anzahl der theoretischen Böden bei der Trennung eines binären, aequimolaren, idealen Gemisches auf:

Die Absolute Trennung eines Gemisches ist theoretisch nicht möglich, kann jedoch bei Einsatz zweckmässiger Apparaturen nahezu erreicht werden.

2.0 Destillationskolonnen:

Eine Destillationskolonne soll einen möglichst intensiven Kontakt zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase bewirken, damit ein Stoff- und Wärmeaustausch stattfindet.

Ein leeres Glasrohr erfüllt diese Bedingungen nur schlecht, da die Berührungsoberfläche zwischen aufsteigenden Dämpfen und Rücklauf relativ klein ist. Durch das Einbauen verschiedenartiger Schikanen wird der Weg des Dampfes und des Rücklaufs verlängert. Dies bewirkt eine Vergrösserung der Phasenaustauschoberfläche und damit eine Verkürzung der Trennstufenhöhe. Damit die vielfältigen Gleichgewichte zwischen Dampf und Rücklauf in der Kolonne nicht durch zusätzliche Kondensation an der Glaswand gestört werden, ist jeglicher Wärmeverlust durch Isolieren der Kolonne zu vermeiden.

Eigenschaften verschiedener Kolonnen:

Kolonnentyp / Parameter Austauschoberfläche / pro Längeneinheit Bodenzahl / pro Längeneinheit Trennwirkung / pro Längeneinheit Druckabfall
Vigreux klein klein klein klein
Glockenboden klein - mittel klein - mittel klein - mittel klein - mittel
Füllkörper gross gross gross mittel

Infolge dieser unterschiedlichen Eigenschaften verwendet man in der Praxis eine grosse Zahl verschiedener Kolonnen.

Wahl der Kolonne:

Die Wahl der geeigneten Kolonne richtet sich nach:

- dem Schwierigkeitsgrad der Trennung, welcher abhängig ist von der Siedepunktsdifferenz der Komponenten, ihrer Konzentration im Gemisch und der gewünschten Reinheit. Je kleiner die Siedepunktsdifferenz, je geringer die Konzentration der einen Komponente und je höher der gewünschte Reinheitsgrad, umso mehr Trennstufen sind erforderlich.

- der zu destillierenden Menge, die im richtigen Verhältnis zur Grösse der Kolonne stehen muss. Zu beachten ist vor allem ihr Betriebsinhalt: Substanzmenge (Dampf und Flüssigkeit in g), die sich in der arbeitenden Kolonne befindet.

    Faustregel: Die Menge jeder Komponente im Gemisch soll mindestens das 10-fache des Betriebsinhalts betragen.

- dem bei der Destillation angewendeten Druckbereich. Durch den Widerstand, den der Dampf beim Durchdringen der flüssigen Phase in der Kolonne überwinden muss, ergibt sich zwischen dem Verdampfungs- und dem Kondensationsteil ein Druckabfall. Beim Arbeiten unter vermindertem Druck soll dieser Druckabfall möglichst klein sein, was sich meistens nur auf Kosten der Trennwirkung realisieren lässt.

    Beispiel: Beträgt der Druckabfall einer Kolonne 10mbar, und misst man am Kolonnenkopf einen Druck von 1 mbar, so herrscht im Destillierkolben ein Druck von 11 mbar. Dadurch erhöht sich die Siedetemperatur um etwa 40°C; leicht temperaturempfindliche Substanzen können sich bereits zersetzen.

Trennwirkung verschiedener Kolonnen:

Die folgenden Angaben über die Trennwirkung von Kolonnen sind nur Richtwerte, da die Wirksamkeit mit zunehmender Belastung sink:

Kolonnenart Durchmesser [mm] Belastung [ml/h] Trennstufenhöhe [cm] Bemerkungen
Leeres Rohr 24

6

6

400

115

10

15

15

2

Betriebsinhalt: gering

Trennwirkung: gering, da kleine Belastung nur schwer realisierbar

Druckabfall: gering

Destillation bei vermindertem Druck: geeignet

Vigreux - Kolonne 24

12

12

510

294

54

12

8

5

Ähnliche Daten wie leeres Rohr, aber durch grössere Oberfläche etwas bessere Trennwirkung

 

Destillation bei vermindertem Druck: geeignet

Füllkörper - Kolonne     Raschigringe Glas            4,5 x 4,5 mm

24

24

600

400

8

7

Betriebsinhalt: gross

Druckabfall: relativ gross

Destillation bei vermindertem Druck: schlecht geeignet

Füllkörper - Kolonne Glasperlen Ø 3 mm 24 800 6

Betriebsinhalt: gross

Druckabfall: gross

Destillation bei vermindertem Druck (Grobvakuum): ungeeignet

Hohe Belastbarkeit bei Normaldruck

Füllkörper - Kolonne Sattelkörper Porzellan       4 x 4 mm o.                       6 x 6 mm 24

24

400

400

5

8

Betriebsinhalt: gross

Druckabfall: mässig

Destillation bei vermindertem Druck (Grobvakuum): geeignet

Hohe Belastbarkeit

Füllkörper - Kolonne Maschendrahtringe V4A    3 x 3 mm 24 1000 2

Betriebsinhalt: gross

Druckabfall: mässig

Destillation bei vermindertem Druck (Grobvakuum): geeignet

 

Füllkörper - Kolonne Drahtwendel V4A             2 x 2 mm oder                   4 x 4 mm 24

24

500

500

2

3

Betriebsinhalt: gross

Druckabfall: gross

Destillation bei vermindertem Druck: schlecht geeignet

Mässige Belastbarkeit bei Normaldruck

 

Kolonnenköpfe:

Die Einstellung des Dampf / Flüssigkeitsgleichgewichts in einer Kolonne ist ideal, wenn kein Destillat entnommen, sondern alles als Rücklauf in die Kolonne zurückfliesst.

Um dieses Gleichgewicht nicht wesentlich zu stören, soll während der Destillation nur so viel Destillat (niedersiedender Anteil) entnommen werden, wie sich laufend in der Kolonne anreichert.

Eine grössere Entnahme würde sich im Ansteigen der Siedetemperatur (im Vergleich zur Siedetemperatur bei Totalrücklauf) äussern und eine unvollständige Trennung bewirken. Das genaue Regeln der Destillatentnahme erfolgt mit Kolonnenköpfen.

Nach der Art der Rücklauferzeugung unterscheidet man:

- Kolonnenköpfe mit Teilkondensation (Dampfteiler, Dephlegmator)

- Kolonnenköpfe mit Totalkondensation (Rücklaufteiler)

Dampfteiler ( Dephlegmator):

Bei diesem Gerät wird der Dampf im gewünschten Verhältnis in Rücklauf und Destillat aufgeteilt, in dem der Dephlegmator auf die Temperatur der niedersiedenden Komponente erhitzt wird. Vom aufsteigenden Dampfgemisch werden dadurch höhersiedende Anteile kondensiert und fliessen als Rücklauf in die Kolonne zurück, während die niedersiedenden Anteile den Dephlegmator verlassen und als Destillat kondensiert werden.

Rücklaufteiler:

Der aufgestiegene Dampf kondensiert im Kühler. Bei Erreichen der Siedetemperatur wird das zurückfliessende Kondensat im gewünschten Verhältnis in Rücklauf und Destillat aufgeteilt. Der Rücklauf fliesst in die Kolonne zurück, während das Destillat in verschiedenen Fraktionen gesammelt weden kann, ohne die Destillation zu unterbrechen.

An einen Rücklaufteiler werden folgende Anforderungen gestellt:

- leichtes Einstellen und Messen des Rücklaufverhältnisses

- möglichst kleiner Betriebsinhalt und kleines Totvolumen

- genaues Messen der Siedetemperatur

- Rücklauf soll mit Siedetemperatur oder nur wenig kälter in die Kolonne zurückfliessen

- anwendbar bei Normaldruck und vermindertem Druck

Im chemischen Labor verwendet man meistens den Rücklaufteiler nach Rhen - Theilig oder automatisch gesteuerte Kolonnenköpfe. Bei automatischer Steuerung wird das Rücklaufverhältnis vorgewählt und dann elektronisch überwacht.

3.0 Destillation bei Normaldruck:

Die Destillation bei Normaldruck wird zum Trennen von Substanzgemischen mit Siedetemperaturen bis ca. 150°C angewendet.

Prinzipieller Aufbau einer Destillationsapparatur mit Kolonne:

Verdampfungsteil:

Kondensationsteil:

Spezielle Hinweise:

Füllen einer Füllkörper - Kolonne:

- Als Füllkörper - Unterlage werden zweckmässig grosse Raschigringe (6 mm) verwendet; Glaswatte ist ungeeignet, da sie Stauungen erzeugt (grosser Druckabfall)

 

Heizen:

-Temperaturschwankungen sind durch die Verwendung eines Ölbadrührers zu vermeiden

- Die Badtemperatur wird so eingestellt, dass sich die geeignete Kolonnenbelastung ergibt. Diese ist richtig eingestellt, wenn ein deutlicher Rücklauf zu beobachten ist, aber kein Flüssigkeitsstau auftritt.

Bei Destillationen ohne Kolonnenköpfe erfolgt die Temperaturregulierung aufgrund der Destillationsgeschwindigkeit (ca. 1 Tropfen pro Sekunde)

- Um das Dampf / Flüssigkeitsgleichgewicht in der Kolonne nicht zu stören und um ein Überhitzen des Gemisches im Destillierkolben zu verhindern, sind Wärmeverluste durch Isolieren von Kolonne und Aufsatz zu vermeiden; Kolonnen besitzen oft einen evakuierten und verspiegelten Mantel

- Bei Verwendung eines Kolonnenkopfes wird unter Totalrücklauf aufgeheizt, bis sich das Dampf / Flüssigkeitsgleichgewicht in der Kolonne eingestellt hat; erst dann wird Destillat entnommen.

 

Einstellen des Kolonnenkopfs:

- Das Rücklaufverhältnis ist so einzustellen, dass der Kolonne nur soviel niedersiedendes Destillat entnommen wird, wie sich laufend anreichert. Durch fortwährendes Korrigieren wird die Siedetemperatur möglichst konstant gehalten, bis die gesamte Fraktion destilliert ist. Je geringer die Konzentration an niedersiedender Komponente wird, desto mehr ist das Rücklaufverhältnis zu vergrössern.

 

Kühlen:

- Die Weglänge des Kondensationsteils ist möglichst kurz zu halten, damit ein Verunreinigen der Fraktion verhindert wird.

4.0 Destillation bei vermindertem Druck:

Diese Destillationsart dient zum Trennen von hochsiedenden (Siedepunkt > 150°C) oder temperaturempfindlichen Substanzgemischen.

Aufbau der Apparatur und Wahl der Geräte analog der beschriebenen Methoden; speziell zu beachten für die Kolonnenwahl ist der Druckabfall.