4.2.2 Oxidationszahl und Elektronegativität
4.2.2.1 Grundlagen

In binären Verbindungen - Verbindungen mit zwei Atomarten - die nicht in Ionen dissoziieren, läßt sich den Elementen der Verbindung eine formale Ladung zusprechen.

Man denkt sich die bindenden Elektronen ganz zu dem elektronegativen Partner in der Verbindung verschoben, so daß dieser negativ geladen ist, der andere positiv. Diese gedachte Ladungszahl heißt Oxidationszahl.

L. Pauling führte auf der Grundlage des Periodensystems der Elemente den Begriff Elektronegativität ein, "die Kraft eines im Molekül gebundenen Atoms, Elektronen des Moleküls an sich zu binden".

Zur quantitativen Beschreibung solcher Kräfte ordnete Pauling dem am stärksten elektronegativen Element, dem Fluor F, willkürlich den Zahlenwert 4,00 zu. Aus Vergleichsmessungen ergaben sich für andere Atome deshalb niedrigere Zahlenwerte, z. B. für Sauerstoff O 3,37, für Schwefel S 2,48, für Wasserstoff H 2,20, für Aluminium Al 1,63 und für Kalium K 0,84 ...

Es zeigt sich, daß z. B. im Wasser H2O der Sauerstoff gegenüber dem Wasserstoff der stärker elektronegative Partner ist (und zwar im "Kräfte-Verhältnis" 3,37 : 2,20).

Quantitative Werte für Elektronegativitäten von Elementen können in Handbüchern nachgeschlagen werden.

Im Beispiel H2O ist Sauerstoff der elektronegative Partner, Wasserstoff der elektropositive, da mit kleinerem Zahlenwert.

Bei der Benennung einer Verbindung wird stets das elektropositive Atom vorangestellt! Wasser könnte als "Wasserstoffoxid" bezeichnet werden; "Sauerstoffhydrid" wäre falsch.

 

Die Oxidationszahl eines Atoms in einem Einzelteilchen (Molekül, Atomgruppe, Ion) ist die Ladung dieses Atoms, wenn die Elektronen jeder Bindung dieses Atoms dem stärker elektronegativen Bindungspartner zugehören würden.

 

Beispiele:

Im Molekül H2O werden dem Sauerstoff die zwei Elektronen der zwei H-Atome zugerechnet, so daß er die Oxidationszahl -II erhält. Die H-Atome haben die Oxidationszahl +I, weil ihr bindendes Elektron dem Sauerstoff zugerechnet wird.

Im SO3 ist  wiederum Sauerstoff der elektronegative Partner. Das Schwefelatom muß also formal sechs Elektronen abgeben, trägt daher die Oxidationszahl +VI. Auch im SO4-Ion hat Schwefel die Oxidationszahl +VI, da zwei der Elektronen für die vier Sauerstoffatome von der Ladung des Ions geliefert werden.

 

Regeln zur Bestimmung der Oxidationszahl:

1. Atome in elementaren Stoffen haben die Oxidationszahl Null.

Beispiele: C, Si, N2, Fe.

2. Sind in einem Molekül zwei oder mehr Atome des gleichen Elementes gebunden, so liefert diese Bindung keinen Beitrag zur Oxidationszahl.

Beispiele: Organische Verbindungen, Peroxide

3. Die Oxidationszahl von Wasserstoff ist +I

Ausnahme: z. B. die salzartigen Hydride, wie LiH. Hier z(H) = -I

4. Die Oxidationszahl von Sauerstoff ist -II

Ausnahme: OF2. Hier z(O) = +II

5. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome einer ungeladenen Atomgruppe (Molekül, Radikal...) ist Null.

6. Die Oxidationszahl eines einatomigen Ions ist gleich der Ladungszahl des Ions.

Beispiele: Br-, Na+.

7. Bei einem mehratomigen Ion ist die Summe der Oxidationszahlen aller Atome des Ions gleich der Ladungszahl des Ions.

Beispiele: Sulfat-Ion: z(S) + 4 * z(O) = -II

Oxidationszahlen kann man dem Formelzeichen in römischen Zahlen hinzufügen:

 

    +I +VII 4 x (-II)
z. B. KCLO4 K Cl O4

Negative Oxidationszahlen muß das Minus-Zeichen vorangesetzt werden; bei positiven Oxidationszahlen kann das Plus-Zeichen entfallen.

Zusammenfassende Übersicht / Schreibweisen

Begriff Bezieht sich auf Beispiele
NaCl H2SO4 Fe2O3
Ladungszahl Ionen Na +1 H +1  
Cl -1 SO4 -2
Oxidationszahl Atome   +I +VI -II +III -II
H S O Fe O