Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen

Flüssigkeiten, die bewegliche Ionen enthalten, leiten den elektrischen Strom. Zu den Elektrolyten gehören die Lösungen von Säuren, Basen und Salzen sowie die Salzschmelzen.

Salze liegen in wäßriger Lösung in Form hydratisierter Ionen vor, d.h. die bereits im Kristall vorhandenen Ionen umgeben sich mit Wasserdipolen:

Na+Cl-(s) + H2O Na+(aq) + Cl-(aq)  (starker Elektrolyt)   

Manche molekularen Stoffe wie die Halogenwasserstoffe HCl, HBr, HI, bilden in Wasser ebenfalls vollständig Ionen:

                     (starker Elektrolyt)

 

Hier tritt jedoch eine vollständig verlaufende chemische Reaktion ein, bei der die Halogen-Wasserstoff-Bindung gespalten wird. Es entstehen Ionen, die im Wasser hydratisiert werden.

Andere Stoffe, insbesondere schwache Säuren wie Carbonsäuren reagieren nicht vollständig mit Wasser; es entstehen weniger Ionen als im vorangegangenen Beispiel, und der größte Teil der Säure liegt in Form undissoziierter Moleküle vor:

                          (schwacher Elektrolyt)

Grundsätzlich unterscheiden sich starke und schwache Elektrolyte dadurch, daß bei starken Elektrolyten praktisch die gesamte Ausgangskonzentration in Kationen und Anionen zerfallen sind, während dies bei schwachen Elektrolyten nur zu einem Bruchteil erfolgt:

          (starker Elektrolyt)

 

 

          (schwacher Elektrolyt)

 

 

Für den elektrischen Widerstand von Elektrolyten gilt das OHMsche Gesetz, d.h. Proportionalität von Spannung und Stromstärke.

U = R · I

In der Meßanordnung ist gezeichnet eine Elektrode, die in eine Elektrolytlösung eintaucht. Die Elektrode hat einen Querschnitt A und einen Plattenabstand d. Die Elektroden weden mit einem Wechselstromgenerator betrieben, an den Meßinstrumenten können Strom I und Spannung U abgelesen werden.

Der gemessene Widerstand R ist um so größer, je größer der Plattenabstand d, und um so kleiner, je größer der Plattenquerschnitt A ist, d.h. der Widerstand ist proportional zu d und umgekehrt proportional zu A. Die Proportionalitätskonstante ist eine spezifische Stoffeigenschaft der Elektrolytlösung bei gegebener Konzentration, Temperatur und Druck.

Anstelle des spezifischen Widerstandes wird bei Elektrolytlösungen meist die spezifische Leitfähigkeit æ verwendet:

Den Faktor d/A, der die Abmessungen der Meßzelle wiedergibt, bezeichnet man als Zellkonstante. Sie wird bestimmt indem man den Widerstand von Lösungen mit bekannter spezifischer Leitfähigkeit mißt.

Bei der Durchführung von Leitfähigkeitsmessungen ist zu beachten, daß an den Elektroden chemische Veränderungen des Elektrolyten eintreten können, die sich teils als Konzentrationsänderungen teils in Form von Polarisationsspannungen bemerkbar machen. Man arbeitet deshalb nicht mit Gleichstrom, was einer Elektrolyse entsprechen würde, sondern mit höherfrequentem Wechselstrom, wodurch diese Veränderungen unterdrückt werden.

Die spezifische Leitfäliigkeit (das ist der am Meßgerät abgelesene Wert) steigt grob qualitativ betrachtet sowohl für starke wie für schwache Elektrolyte mit zunehmender Konzentration, weil die Konzentration der Ionen ansteigt, allerdings herrscht vor allem bei höheren Konzentrationen keine Proportionalität.

Die Nichtlinearität zeigt sich für starke und schwache Elektrolyte besser, wenn man die molare Leitfähigkeit (lambda) in Abhängigkeit von  aufträgt. Die molare Leitfähigkeit ergibt sich aus der spezifischen Leitfähigkeit, indem man diese durch die Konzentration der Lösung dividiert:

(Der Faktor 1000 gleicht die unterschiedlichen gebräuchlichen Einheiten für spezifische Leitfähigkeit und Konzentration aus.)

Das Diagramm zeigt, daß sich starke und schwache Elektrolyte deutlich unterscheiden. Mit zunehmender Konzentration fällt die molare Leitfähigkeit für schwache Elektrolyte deutlich, für starke nur geringfügig ab. Aus den Kurven kann man - für starke Elektrolyte gut, für schwache schlecht - auf die molare Leitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung extrapolieren. Sie wird mit 0 oder symbolisiert. Für schwache Elektrolyte gilt:


wird als Dissoziationsgrad bezeichnet und gibt das Verhältnis der Zahl von dissoziierten Molekülen zur Gesamtzahl der Moleküle an, ist also bei vollständiger Dissoziation 1.

Der Dissoziationsgrad und damit die molare Leitfähigkeit schwacher Elektrolyte ist konzentrationsabhängig, weil mit zunehmender Verdünnung schwache Elektrolyte stärker dissoziieren, d.h. das Dissoziationsgleichgewicht verschiebt sich nach rechts. In extrem verdünnten Lösungen sind schwache Elektrolyte vollständig dissoziiert, in konzentrierten Lösungen dagegen kaum. Die Änderung der molaren Leitfähigkeit mit der Konzentration ist also auf die Änderung des Anteils dissoziierter Moleküle zurückzuführen. Diese Tatsache schlägt sich im OSTWALDschen Verdünnungsgesetz nieder:

Die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion eines schwachen Elektrolyten in wässriger Lösung:

HAcH+ + Ac-        

ergibt sich zu:              

dabei sind:                     c(H+), c(Ac-) und c(HAc)

                                       jeweils die Gleichgewichtskonzentrationen der beteiligten Spezies

 

Geht man davon aus, daß die ursprüngliche Konzentration der Essigsäure C0 betragen hat, so ergibt sich mit

c(H+) = c(Ac-) =  · C0

und mit

c(HAc) = (1 - ) · C0

das OSTWALDschen Verdünnungsgesetz für schwache Elektrolyte:

Hiermit lassen sich bei schwachen Elektrolyten durch experimentelle Bestimmung der molaren Leitfähigkeiten Gleichgewichtskonstanten berechnen über die Beziehung:

Bei starken Elektrolyten, die unabhängig von der Konzentration vollständig dissoziiert sind, beruht die Abnahme der molaren Leitfähigkeit mit steigender Konzentration auf den zunehmenden Wechselwirkungen der Ionen in der Lösung. Die mittleren Abstände in der Lösung nehmen ab, und die in entgegengesetzte Richtungen wandernden Ionen mit ihren voluminösen Solvathüllen behindern sich:

 

Dadurch wird die Beweglichkeit der Ionen herabgesetzt und die molare Leitfähigkeit sinkt. KOHLRAUSCH fand 1900 empirisch, daß die molare Leitfähigkeit mit der Konzentration in folgender Beziehung steht:

k ist ein von der Art des Elektrolyten abhängiger Proportionalitätsfaktor. Die empirische Beziehung konnte 1923 durch die Theorie der starken Elektrolyte von DEBYE, HÜCKEL und ONSAGER für verdünnte Lösungen quantitativ gedeutet werden. (Für konzentrierte Lösungen gibt es bis heute keine quantitativ leistungsfähige Theorie.)

Zum Vergleich unterschiedlich geladener Ionen oder mehrprotoniger Säuren miteinander benutzt man die Äquivalentleitfähigkeit *. (* steht für + bei Kationen bzw. - bei Anionen). Sie ergibt sich aus der molaren Leitfähigkeit durch Division durch die Ionenladung bzw. bei Säuren durch die Zahl der verfügbaren Protonen:

    z* : Äquivalentzahl (Ionenladung oder bei Säuren, Zahl der Protonen.

Vergleichende Messungen an verschiedenen Elektrolyten mit z.T. gleichen Ionen zeigen, daß jede Ionenart einen bestimmten Beitrag zur Leitfähigkeit einer Elektrolytlösung liefert (Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung). Für ein Salz gilt also:

 
0= z+ · +0 + z- · -0 mit :   +0-0 : Äquivalentleitfähigkeiten der Ionen

 

Äquivalentleitfähigkeiten von Ionen in wässriger Lösung bei unendlicher Verdünnung (25 ºC)

[cm2 · -1 · mol-1]

Kationen

Anionen

H3O+

349,8

HO-

198,0

Li+

38,7

Cl-

76,3

Na+

50,1

Br-

78,4

K+

73,5

I-

78,4

NH4+

73,4

NO3-

71,4

Mg2+

53,1

Ac-

40,9

Ca2+

59,5

SO42-

79,8

Ba2+

63,3

CO32-

70,0

 

Die Äquivalentleitfähigkeiten der Metallkationen nehmen innerhalb einer Gruppe des Periodensystems nach unten zu, weil die Hydration mit dem wachsenden Ionenradius abnimmt, die Beweglichkeit der Ionen also wächst.


Spezialfall der Ionenleitung von H3O+ und OH-

Die abnorm hohen Werte für Oxonium- und Hydroxidionen beruhen nicht auf den Größen der Ionen, sondern auf einem speziellen Leitungsmechanismus. Die Leitung erfolgt hier nicht nur durch Ionenwanderung, sondern auch durch Verschiebung von Bindungselektronen zwischen H3O+- und OH--Ionen und den strukturell eng verwandten Wassermolekülen:

 

Durch Verschiebung der Bindungselektronen wird die Ladung des Oxoniumions auf ein anderes neu gebildetes H3O+-Ion übertragen.

Es findet also auch Ladungstransport ohne gleichzeitigen Massetransport statt. Ein analoger Mechanismus kann auch für die Leitung durch OH--Ionen in wäßriger Lösung formuliert werden. Dieser Mechanismus spielt nur für wäßrige Elektrolytlösungen eine Rolle; in anderen Lösungsmitteln sind die molaren Leitfähigkeiten von H3O+- und OH--Ionen denen der Alkaliionen vergleichbar.

Auch Salzschmelzen leiten den elektrischen Strom. Die spezifischen Leitfähigkeiten sind hier wesentlich höher als die von Lösungen, weil die Konzentration von Ladungsträgern (geschmolzenes Salz ohne Lösungsmittel) sehr hoch ist.

 

spezifisch Leitfähigkeiten einiger Stoffe

 

Essigsäure 1mol/l

25

1.65. 10.-3

KCl 1mol/l

25

0,1119

HCl 1 mol/l

25

0,3322

LiCl-Schmelze

800

6,6

NaOH-Schmelze

318

2,1

alpha-AgI(s)

150

1,3

Si  

4,3. 10.-6

Ge  

0,02

GaAs  

50

InSb  

650

Ag  

625000

Fe  

100000

Graphit parallel zu den Schichten

30000

Graphit senkrecht zu den Schichten

5

Retortenkohle (Graphit, statistisch isotrop)

200


Feste Ionenleiter sind ionische Verbindungen, in denen eine Ionenart im festen Teilgitter der anderen beweglich ist, so leitet -Silberjodid bei höheren Temperaturen über bewegliche Ag+-Ionen, einige Nebengruppenoxide über Oxidionen.